v.l.: Hatto Brenner, Prof. Dr. Franz Benker, Martina von Waldenfels, Wolfgang Kohl. Foto: Peter Pirner
China-Vortrag der Akademie Steinwald-Fichtelgebirge vom 21.03.2024 im Großen Scherdelturm in Marktredwitz
Die Wirtschaftsmacht China tickt anders
Wie prägt die Jahrtausende alte Zivilisationsgeschichte den asiatischen Staat bis heute? Und worauf sollten sich westliche Unternehmen einstellen, wenn Sie auf dem chinesischen Markt erfolgreich sein wollen? Diese Fragen haben Prof. Dr. Franz Benker und der Sinologe und Berater Wolfgang Kohl in ihrem gemeinsamen Vortrag „Die Einmaligkeit und Andersartigkeit Chinas und die Unumgänglichkeit der wirtschaftlichen Kooperation mit einem ökonomischen Giganten“ beantwortet. Ihr zentraler Ansatz: „Wir sollten uns China nicht verschließen.“
Prof. Dr. Franz Benker, der aus Marktredwitz stammt, zog für seine Analyse das Buch „China – Zwischen Tradition und Herausforderung“ des ehemaligen US-Außenministers und China-Kenners Henry Kissinger heran.
Ein wichtiges Ereignis war die Vereinigung der verfeindeten sieben Reiche Chinas zu einem Staat durch Qin Shi Huangdi im Jahr 221 v. Chr. Er wurde dessen erster Kaiser. Bekannt ist seine Terrakotta-Armee aus 8.000 lebensgroßen Kriegern, die ihn im Jenseits schützen sollte. Er förderte die Einheit Chinas, indem er die Macht zentralisierte und die Verwaltung standardisierte. Seit fast 2.500 Jahren also besteht das riesige Reich ununterbrochen fort und überstand auch große Krisen.
Noch einige hundert Jahre älter ist das vermutlich beste Buch über Militärstrategien, „Die Kunst des Krieges“ von Sun Tsu, dessen Aussagen auf viele Lebensbereiche ausstrahlen. Es geht darum, möglichst Siege zu erlangen, ohne Schlachten zu schlagen. Am wichtigsten ist es jedoch, langfristig seine Ziele zu erreichen.
Im Laufe der Zeit entstand ein Gefühl der nationalen Identität und der kulturellen Überlegenheit: Die Chinesen erwarben das Selbstverständnis, ihr Land sei das Zentrum der Welt, das „Reich der Mitte“. Und im Unterschied zu europäischen Staaten versuchten sie nicht, ihr Reich territorial zu erweitern. Vielmehr waren sie bestrebt, dass andere Länder die Sonderstellung Chinas und den Rang des Kaisers anerkannten. So erweiterten sie ihren Einfluss und ihre wirtschaftliche Stellung.
Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert kamen immer mehr Händler und Diplomaten nach China. Ein Minimum an Rechten wie freier Handel, ständige Botschaften oder souveräne Gleichheit, wie es für Europäer nahezu weltweit üblich war, gab es in der chinesischen Welt nicht. Diese fremde Weltordnung wurde von China abgewehrt.
Chinas sanfte Macht äußert sich heute durch eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit und Infrastrukturprojekte in anderen Ländern (Stichwort: Neue Seidenstraße). Wirtschaftliche und daraus folgend politische Abhängigkeiten können entstehen. Chinas wachsende Macht- und Einfluss-Sphäre erstreckt sich auf Aspekte wie Wirtschaft, Politik, Diplomatie und Technologie. Die Wertegemeinschaft, die auf den Lehren von Konfuzius beruht, hat das „Reich der Mitte“ langfristig getragen – und wird dies auch künftig tun.
Im zweiten Teil des Vortrags beleuchtete Wolfgang Kohl die Aspekte, die für die chinesische Wirtschaft zukunftsprägend sind. Zu Beginn räumte er erstmal mit drei im Wesentlichen falschen Überzeugungen über das moderne China auf: „Wirtschaft und Demokratie sind zwei Seiten der gleichen Medaille“, „Autoritäre wirtschaftliche Systeme können nicht legitim sein“ und „Chinesen leben, arbeiten und investieren wie Westler“.
Als Rahmenbedingungen für Geschäftsaktivitäten in China sind die wichtigsten Entwicklungstrends des chinesischen Handelssektors zu berücksichtigen, die auf dem laufenden Fünf-Jahresplan beruhen. Ein Beispiel dafür sind die enormen Wachstumsaussichten für Lifestyle-Konsum und -Dienstleistungen, die eng an die zunehmende Gesundheitsorientierung vieler Chinesen gekoppelt sind.
Wichtig ist auch die Klassifizierung der Wirtschaftskraft von Städten oder von Zielgruppen. Gerade die (in chinesischen Dimensionen) mittelgroßen Städte werden an Wirtschaftskraft gewinnen. Insgesamt bildet die 1,4 Milliarden Menschen zählende Bevölkerung ein schier unerschöpfliches Verbraucherpotential. China ist nach den USA die zweitgrößte Volkswirtschaft.
An der Einführung des HARIBO-Sortiments auf dem chinesischen Markt war Wolfgang Kohl, der 20 Jahre in China lebte und arbeitete, selbst beteiligt. Er zeigte anschaulich auf, dass chinesische Verbraucher viel Wert auf vielfältiges Essen legen, dass sie anspruchsvoll und verwöhnt, neugierig und mächtig sind.
Technologie wird nahezu uneingeschränkt akzeptiert: E-Commerce, die Super-App „We Chat“ und durch Influencer sozial animierter Konsum sind allgegenwärtig. Ein Einkaufserlebnis der Extraklasse ist der weltgrößte Duty free-Shop auf der Insel Hainan, der auch den Binnentourismus ankurbelt.
Alle diese Faktoren zeigen für Wolfgang Kohl, dass eine wirtschaftliche Kooperation mit China nicht nur notwendig, sondern auch möglich ist. Eine Anleitung dazu gibt er in seinem mit Xueli Ren verfassten Buch „Geschäftsanbahnung in China“.
Peter Pirner
Buchtitel der vorgestellten Bücher: