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Märchen tiefenpsychologisch interpretiert

9. April 2019/14:00 - 15:00

Das Märchen „Hänsel & Gretel“ tiefenpsychologisch interpretiert von Dr. B. Thieser.

Märchen schildern Schicksalsaugenblicke, in denen wir Menschen gezwungen werden, zwischen verschiedenen Einstellungen zum Leben zu entscheiden.

„Märchenweg – Lebensweg“

Es liegt ein kostbarer Schatz in so manchem Kinderzimmer, manchmal steht er im Bücherregal, vielfach unbeachtet. Er wurde diffamiert und abwertend als „Kinder- und Hausmärchen“ bezeichnet und damit versucht ihn seiner Bedeutung zu berauben. Die Märchen tragen es geduldig. Sie haben Zeit und Geduld ist eine ihrer Tugenden. Sie drängen sich nicht auf, sie warten ab und es ist an uns, sie aufzuheben und sie zu lesen, sie sich erzählen zu lassen, sie zu erzählen und damit ihr tiefes Wissen zum Klingen zu bringen. Die Kraft, die ihnen inne wohnt zu wecken und die Energie, die sie verströmen, aufzunehmen. Märchen sind Begleiter. Gute, ruhige Begleiter. Sie helfen zu erkennen, zu tragen, zu ertragen. Märchen geben Mut, nehmen Angst. Märchen bauen Brücken, sind tragfähige Brücken von der einen zur anderen Welt, Brücken ins Leben.

Märchen geben freizügig, aber sie fordern auch. Es heißt, sich auf sie einlassen. Es heißt zuhören, genau hinhören. Sie sprechen leise, sie wiederholen, sie atmen in ruhigem Rhythmus. Und in diesem Rhythmus muss man ihnen folgen. Märchen sind nicht für den schnellen Wanderer, der meint er wisse seinen Weg. Sie sind für den da, der sich erschöpft am Wegesrand niederlässt, der gar noch die Orientierung verloren hat und den rechten Weg sucht. Sie sind für den, der, da nun ratlos, sich niedersetzt und langsam beginnt die innere Bewegung zu fühlen, zu spüren. Dann nämlich beginnen sie zu uns zu sprechen, die Märchen, in ihrer klaren, ruhigen Sprache.

Und es wird deutlich, dass aus ihnen tiefes Wissen spricht. Als Frage sei formuliert: Spricht aus den Märchen nicht tiefes schamanisches „Wissen“? „Wissen“, das, weil in einer uns fremd gewordenen Erzähltradition überliefert, von uns nur mehr rudimentär erfasst werden kann. Wenn dem so ist, sollten diese Erzählungen wieder aufgefasst werden, sollten wiedererzählt werden, sollten die Bilder der Geschichten wieder „beatmet“ werden. Und mit dem Erzählen, dem Vorlesen verbinden sich die Worte wieder mit dem Atem des Erzählers, des Vorlesers. Ist dies dann nicht ein Akt des „Wieder“- Belebens, der den Bildern wieder und immer wieder, so wie es ja immer gewesen ist, Leben einhaucht und sie wirken lässt auf alle die das Lebendigwerden zulassen. Und es wird deutlich, dass dieses „Wissen“ ganzheitlich erfassbar ist.

Märchen stammen aus einer tiefen Seeelenschicht. Als Kinder wurden uns Märchen vorgelesen oder erzählt, später haben wir sie selbst gelesen und wir haben sie damals genau „erfasst“, haben sie „begriffen“. Es hat sich auch ein Lieblingsmärchen herauskristallisiert und dieses Märchen hat uns Kraft gegeben und Mut, hat uns getröstet und uns geholfen die „kindlichen“ Krisen zu überstehen, manchmal sogar dazu verholfen, am Leben zu bleiben. Und wir haben dieses Märchen nie vergessen. Es begleitete uns, nicht bewusst, doch tief im Innersten geborgen. Und damit hatte dieses Märchen und seine Motive eine Bedeutung für unser Leben, für unseren „Lebensplan“.

„Märchenhelden“ treten ihren Entwicklungsweg aus einer bestimmten Familienkonstellationen heraus an. Und in aller Regel steht am Beginn dieses Entwicklungsprozesses eine „krisenhafte Konstellation“, wie Verena Kast[1] es beschreibt. Dabei ist zu beobachten, dass das entstehende Thema nicht nur das Thema des Probanden ist, es ist in der Regel das Thema der Familie, bzw. eines (Familien-) Systems, dem er angehört. Damit wird deutlich, dass die „Lösung“[2] auch in der Betrachtung des Gesamtzusammenhanges des Systems zu suchen ist[3].

Aber es gilt auch, dass jede Interpretation, jede Deutung der Märchenbilder und -motive nur eine An-Deutung bleibt[4]. Und man mag sich wohl auch davor hüten sie durch „Über-“ Interpretation ihrer „Heil-“ Kraft zu berauben. Aber Märchen können mehr sein als Begleiter durch die Kindheit. Die Verengung des Begriffes „Märchen“ hat dazu geführt, sie in die „Kinderzimmer“ zu verbannen und ihnen damit vermeintlich jede „Ernsthaftigkeit“ abzusprechen. Doch ist nicht gerade damit ein spannender und „ungeheuer“ brisanter Zusammenhang hergestellt. Sind die Märchen dadurch nicht genau dort „angesiedelt“, wo die Traumata entstehen. Haben sie sich nicht genau dort „niedergelassen“, wo die Lebensprägungen entstehen? Und sie können uns wieder in diese Lebensphase zurückführen, in der wir ihnen vertrauend, Weichen gestellt haben für unseren Lebensweg. Sie können uns wieder ihre Begleitung anbieten, wenn wir als Erwachsene wieder zurückgehen zu unserem „inneren“ Kind. Sie können „neben“ uns sitzen, wenn wir dann die Erinnerung aktivieren, wenn wir wieder in das Gefühl/in die Gefühle unseres „inneren“ Kindes gehen und darüber „nachdenken“, wie wir gefühlt haben, was uns „bewegt“ hat, wer uns „bewegt“ hat … sie können die Verletzungen wieder sanft aufdecken, können durch die Mauern dringen, die wir um die Wunden gebaut haben, sie können trostspendend, mutmachend helfen, die Augen zu öffnen. Und vielleicht gelingt es dem einen oder dem anderen mit ihrer Hilfe leichter das weinende Kind vor ihnen in den Arm zu nehmen und es in sich aufzunehmen und es /sich anzunehmen.

Denn wir können nun als Erwachsene das Bild/die Bilder noch einmal ansehen und die Hilfe, die die Bilder der Märchen uns damals gegeben haben noch einmal „nutzen“ … nun an der Stelle, an der wir gerade „stehen“, nach der Zeit, die inzwischen vergangen, den Dingen, die inzwischen geschehen sind. Und wenn es einem Märchen gelänge dieses mit einem Menschen zu machen, dann hätte sich das Erzählen dieser einen Geschichte schon ge-„lohnt“.

Anhand des Märchens „Hänsel und Gretel“ soll in der Veranstaltung der ASF der Versuch unternommen werden, sich auf diesen Weg zu machen.

 

[1] Kast, Verena,

Familienkonflikte im Märchen. eine psychologische Deutung, dtv, ungekürzte Ausgabe, München, 1998, S. 8

[2] „Erlösung“, Lösung, ist bei der überwiegenden Zahl der Märchen das zentrale Thema. Dazu: Gille, Mirjam,

Die adoleszenten Jungfrauen in den Kinder-und Hausmärchen der Brüder Grimm Typologie unterschätzter Märchenfrauen Inaugural – Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades einer Doktorin der Philosophie (Dr. phil.) dem Fachbereich Kulturwissenschaften der Technischen Universität Dortmund, Bochum 2010

[3] Dabei ist unbenommen, dass Märchen auch den intrapsychischen Aspekt in sich tragen, dass also die verschiedenen handelnden Personen in einem Märchen verschiedene Anteile einer einzigen Person repräsentieren. Dieser Gesichtspunkt schwächt die Wirkung der Märchen indes nicht, er steigert m. A. noch die ursprüngliche Kraft der Märchen.

[4] Kast, Verena,

Familienkonflikte im Märchen. eine psychologische Deutung, dtv, ungekürzte Ausgabe, München, 1998, S. 14

 

Der Eintritt ist für Mitglieder der AKADEMIE frei, für Nichtmitglieder beträgt er 5,00 €.

Im Anschluss besteht die Möglichkeit zu Gesprächen bei Kaffee und Kuchen im Restaurant des Hotels Alexandersbad. Wir freuen uns über Ihr Interesse und bitten um Anmeldung bis zum 08.04.2019.

Details

Datum:
9. April 2019
Zeit:
14:00 - 15:00
Veranstaltungskategorie:

Veranstalter

AKADEMIE Steinwald Fichtelgebirge
Telefon:
09231/603603
E-Mail:
info@akademie-steinwald-fichtelgebirge

Veranstaltungsort

Hotel Alexandersbad
Markgrafenstr. 24
Bad Alexandersbad, 95680
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